Elisabeth Herrmann: RAVNA Arktische Rache

Lesekreis, CC0, via Wikimedia Commons

Ich mag ja Krimis, die einen Mehrwert haben. In denen ich über die Krimistory, die Figuren und die Auflösung hinaus etwas über die Welt erfahre. "RAVNA Arktische Rache" von Elisabeth Hermann ist so ein Buch. Die Ermittlerin Ravna stammt nämlich aus dem indigenen Volk der Sami in Lappland; jetzt ist sie an der Polizeihochschule Oslo im Studium zur Polizistin.

Doppelt spannend: die Krimihandlung und das Leben der indigenen Sami

Ihren leiblichen Vater kennt Ravna kaum - sie ist aber neugierig und nimmt seine unerwartete Einladung an, sich in der Hauptstadt zu treffen. Aber aus dem Gespräch wird nichts, denn mit einem Messer im Rücken stürzt er in das Restaurant, in dem sie sich treffen wollten. Dieses Messer wiederum hat ihre Mutter geschnitzt, es ist voller samischer Muster. Die Polizei nimmt ihre Ermittlungen gegen Ravnas Mutter auf. Und die schleppt - natürlich - ein Geheimnis mit sich herum.

 

 

 

Immer wieder erfahre ich in diesem Buch hochinteressante Details über das Leben der Sami im heutigen Norwegen - vermittelt vor allem über die knorrige Figur von Ravnas Mutter. Sie kennt und lebt die alte Traditionen der Sami und versucht, sie in die Jetztzeit zu übertragen: vom Umgang mit Rentierherden über das Leben in Jurten bis zur Kenntnis von zig Schnee- und Eissorten.  Außerhalb von Lappland werden die Samen in Skandinavien allerdings vielfach als rückständig verachtet und diskriminiert, auch in diesem Buch.

 

 

 

Und wer nun geglaubt hat, wenigstens im hohen Norden Norwegens könnten die verbliebenen Lappen ihrem Lebensstil ungestört nachgehen, sieht sich getäuscht: dort sollen nach dem Willen großer Konzerne Windparks entstehen oder soll gefrackt werden, dort oben sei ja genug Platz, das Land gehöre ja eigentlich niemandem. Ein hochinteressanter Konflikt zweier nachvollziehbarer Interessen, also denen der Indigenen und der Notwendigkeit von grünem Strom - der allerdings von jeder Menge Rassismus den Lappen gegenüber durchsetzt ist und in dem Konzerne das große Geschäft mit erneuerbaren Energien wittern (das ist übrigens auch Thema in Karin Smirnoff, Verderben, das ist eine weitere Fortsetzung von Stieg Larssons Millenium-Projekt von einer neuen Autorin, dazu an anderer Stelle mehr).

 

 

Für mich ist das ein Krimi, der auf zwei Ebenen spannend ist: auf der Krimi-Ebene und auch auf der Ebene der "Geschichte dahinter", also hier dem schwierigen Leben der indigenen Sami.  Der Verlag nennt "Arktische Rache" ein Jugendbuch - das finde ich schade, denn es ist für erwachsene Leser:innen genauso lesenswert.

 

Elisabeth Herrmann: Radio Bremen Krimipreisträgerin und TV-Serien-Autorin hat in Lappland gelebt

Elisabeth Herrmann dürfte vielen Leser:innen auch durch die TV-Filme um ihre Ermittler Joachim Vernau und Marie-Luise Hoffmann mit Jan Josef Liefers und Stefanie Stappenbeck bekannt sein. Immer wieder verwebt die Autorin gekonnt aktuelle Zeitgeschichte zu überzeugenden Krimiplots.   2011 wurde Elisabeth Herrmann mit dem Radio Bremen Krimipreis ausgezeichnet.  Für den Roman Zeugin der Toten wurde sie 2012 mit dem Deutschen Krimi Preis geehrt. Für den zweiten Band der RAVNA-Reihe bekam sie den Glauser 2023. Als Journalistin beim SFB/RBB hat sie das Handwerk des Recherchierens gelernt - das merkt man ihren Krimis immer wieder an: regelmässig hält sie sich z.B. bei den Sami in Lappland auf.

 

 

 

Elisabeth Herrmann, RAVNA Arktische Rache, cbj, 449 S., 22 Euro, ET 26.7.23

 

 

 

 


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Über die Autorin dieses Blogs

Jutta Günther 

  • Neugierige und kritische Krimileserin
  • TV-Reporterin und Hörfunk-Redakteurin (Radio Bremen; Tagesschau; Morgenmagazin etc. bis 2023)
  • Krimikritikerin und -rezensentin im Nordwestradio und bei Bremen Zwei bis 2023
  • Jurorin Radio Bremen Krimipreis
  • Jurorin Krimibestenliste 
  • seit 2024 ehrenamtliche Richterin am Landgericht Bremen

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